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Waldbrände treffen kalifornische Marihuana-Bauern hart

Seit dem 1. Januar darf man in Kalifornien Marihuana zu Freizeitzwecken nutzen. Doch die verheerenden Waldbrände, die im Herbst im Norden des Staates wüteten, haben auch viele Cannabis-Produzenten betroffen; diese verloren ihre Einnahmequelle just im Augenblick der Entstehung des legalen Markts. Und als ob das noch nicht genug wäre, sehen sie sich häufig gezwungen, ihr Bargeld auf ihren Ländereien zu vergraben und es so dem Risiko auszusetzen, ebenfalls von den Flammen zerstört zu werden. Denn das Verbot von Marihuana auf Bundesebene macht die Zusammenarbeit mit Banken und Versicherungsgesellschaften unmöglich und verhindert, dass die Cannabis-Bauer ihr Geld und ihre Einnahmequelle mit Konten bzw. Versicherungen schützen.

Für den Cannabis-Markt hätte es kaum einen schlimmeren Moment für die Waldbrände von 2017 geben können, die als verheerendste in der Geschichte von Kalifornien gelten: mitten in der Erntezeit und nur wenige Monate, bevor Anfang dieses Jahres ein Programm für Marihuana zu Freizeitzwecken in Kraft trat. Dieses Gesetz, für das die kalifornischen Wähler vor über einem Jahr gestimmt hatten, gewährt allen Personen über 21 Jahren im ganzen Staat legalen Zugang zu Cannabis. Ist der Schaden, den die Brände verursacht haben, so groß, dass es beim Aufbau des kalifornischen Cannabismarkts, der der wohl größte seiner Art auf der ganzen Welt wird, Probleme gibt? Die Verluste der Bauern liegen in Millionenhöhe, und zur Verzweiflung über die Zerstörung ihrer Anlagen kommt überdies die schmerzhafte Einsicht hinzu, dass keine Versicherung für die geleistete Investition aufkommen wird. Mit dem Feuer verschwindet ihre – vielleicht einzige – jährliche Einnahmequelle. Besonders verheerend waren die Waldbrände in Sonoma, Napa und Mendocino County, wo viele Familien vom legalen Marihuana-Anbau für den therapeutischen und Freizeit-Konsum leben. Was noch vor wenigen Wochen Einnahmen versprach, ist jetzt Asche und Staub. Natürlich sind nicht nur die Pflanzen zerstört worden, sondern auch Ausstattung wie Gewächshäuser oder andere Gebäude, Werkzeuge und Materialien für den Anbau, die Weiterverarbeitung usw. Der California Growers Association zufolge sind 50 Farmen direkt den Flammen zum Opfer gefallen, man erwartet jedoch, dass diese Zahl noch deutlich steigt, sobald die Produzenten auf ihre Ländereien zurückgekehrt sind und die tatsächlichen Schäden ermittelt haben.

Die Zahl von 50 zerstörten Plantagen mag relativ unbedeutend erscheinen für einen Staat, wo es Schätzungen zufolge über 50 000 Cannabis-Grower mit unterschiedlichem Legalitätsstatus gibt. Leider aber kam es nach den Evakuierungsbefehlen auch zu Diebstählen. Verlassene Höfe und fertige Ernten sind angesichts des enormen Werts von Cannabis ein gefundenes Fressen für Langfinger. Analysen zufolge machen sich die fehlenden Bestände bereits jetzt auf dem Markt bemerkbar. Aufgrund der Unterbrechung in der Lieferkette könnten die Marihuana-Preise in Kalifornien in den ersten Monaten des Jahres um rund 10 bis 20 % steigen. Denn wie gesagt haben sich die Brände ausgerechnet im Herbst ereignet, im wohl dramatischsten Augenblick für einen kalifornischen Cannabis-Grower überhaupt, dann, wenn viele kurz vor der Ernte und dem Verkauf stehen und deshalb kein Geld haben, um den unvorhergesehenen Ausfall zu überbrücken und nochmals Samen für eine neue Anlage zu keimen. Manche Bauern haben, als das Feuer sich näherte, deshalb schnell und zu früh geerntet, um wenigstens einen Teil ihres jährlichen Lebensunterhalts zu retten, und einige haben sich sogar den Evakuierungsbefehlen widersetzt, damit nicht all ihre Arbeit umsonst war.

Wieder andere kamen zurück, nachdem die Feuerwehr die Flammen erstickt hatten, um zu überprüfen, ob ein Teil der Kulturen überlebt hatten. So auch Ashley Oldman, die bereits im Juli nach einer Milbenplage neu pflanzen müssen hatte und im Morgengrauen mit ihrer vierjährigen Tochter vor dem Feuer geflohen war. Bei ihrer Rückkehr stand noch eines der Gewächshäuser mit einer ganzen Kultur. Sie weiß allerdings noch nicht, ob der Rauch die Buds beschädigt hat. Mit diesem Problem werden viele der Grower konfrontiert, die auf ihre Ländereien zurückkehren. Kulturen, die Rauch ausgesetzt waren, sind nämlich anfälliger für Krankheiten und könnten deshalb gefährliche Mengen von Pilzen und Schimmel enthalten. Außerdem kann das Marihuana auch nach Rauch riechen und damit signifikant an Wert verlieren. So werden wohl viele Ernten gerettet werden können, aber auch genauso viele endgültig verloren sein. Manche, die jahrelang im Verborgenen Cannabis angebaut hatten, hat der Schritt in die Legalität in den Ruin getrieben. So war es auch bei Andrew Lopas, der im vergangenen Jahr regulären Status erlangen und für den medizinischen Marihuana-Markt von Santa Rosa anbauen wollte. Nachdem er Ende November 2016 dorthin gezogen war, vertrieben ihn nun die Flammen. Er ließ 900 Pflanzen, 1100 Kilo Cannabis mit einem geschätzten Wert von 2 Millionen Dollar (1,69 Millionen Euro) sowie 10 000 Euro Bargeld (mehr als 8400 Euro) zurück, mit dem er seine Angestellten, seine Hypothek, die Fahrzeuge und das Bauerngut aus dem 18. Jahrhundert bezahlen wollte. Es ist nichts geblieben.

Ohne Versicherung und Bank

Die Möglichkeit, eine Versicherung abzuschließen, die derartige Katastrophen deckt, besteht bislang nicht: Die Landwirtschaftsversicherungsgesellschaften bieten derartiges nicht an. Es gibt zwar nach und nach erste auf Cannabis spezialisierte Versicherungsunternehmen, doch es ist trotzdem wahrscheinlich, dass diese nicht für die durch die Brände zerstörten Pflanzen aufkommen. Obendrein haben die Grower, nachdem Cannabis auf Bundesebene verboten ist, häufig Probleme bei der Zusammenarbeit mit traditionellen Banken. Ohne Zugang zu Fremdfinanzierungsmöglichkeiten zahlen sie die Kosten für den Wiederaufbau also ausschließlich aus ihrer eigenen Tasche. So sind die Hoffnungen und Träume vieler, die in die neue Branche des legalen Cannabis investiert haben, wortwörtlich verraucht: Ohne Produkte, mit denen sie die Anbaulizenzen oder sündhaft teuren Gießrechte finanzieren können, wird es für viele der vom Feuer betroffenen Firmen immer schwieriger, in deinen neuen Markt einzusteigen. Und als ob das alles nicht schon genug wäre, sehen sich angesichts der Unmöglichkeit einer Zusammenarbeit mit den Banken (die der Geldwäsche bezichtigt werden können, wenn sie Marihuana-Gewinne nutzen) auch manche Grower dazu gedrängt, ihre Ersparnisse just auf den Feldern zu verscharren, wo auch ihre Einnahmequelle heranwächst, oder an einem anderen, weiter von den Pflanzen entfernten Ort auf den Ländereien. So geschah es auch Cheryl Dumont, die unter ein paar Kiefern in Mendocino eine Kiste mit Geldmünzen vergraben hatte. Manche bewahren auf diese Weise auch Gold oder Silber auf.

Das Geld unter dem Blumentopf

Dass Cannabis-Anbauer ihr Geld vergraben statt es auf die gute alte Tour unter der Matratze zu verstrecken, hat seine Gründe: Da sie aufgrund ihrer Tätigkeit keine Bankkonten erhalten, ist das Diebstahlrisiko in ihren Häusern viel größer. Die Aussicht, irgendwo in einem riesigen Wald oder an einem einsichtigen Ort nach einer vergrabenen Kiste suchen zu müssen, schreckt potenzielle Diebe ab. Wenn es auf den Ländereien brennt, macht das Feuer aber natürlich keine Ausnahme mit solchen Kisten, die häufig nicht allzu tief vergraben sind, damit man leichter wieder an sie kommt. Es verwandelt nicht nur die Pflanzen, sondern auch das Geld in Asche; die Grower verlieren ihren „Notgroschen" für Unvorhergesehenes oder gar die Ersparnisse eines ganzen Lebens. Unter dem Cannabis-Anbauern kursieren deshalb unzählige Geschichten, etwa über jemanden, der auf diese Weise 250 000 Dollar (fast 212 000 Euro) verlor, oder über jemand anderen, der sein Gold und Silber retten konnte, weil er es glücklicherweise tief genug vergraben hatte, dass es nicht schmolz. Aus all diesen Gründen – und aufgrund der Tatsache, dass viele beim Thema Marihuana-Anbau immer noch Stillschwiegen bewahren, auch jenseits von Legalitätsfragen – ist es sehr schwer, die tatsächlichen Verluste der kalifornischen Cannabis-Industrie durch die Waldbrände abzuschätzen. Mystic Spring Farms beispielsweise besaß 900 Pflanzen und rechnete mit 2 Millionen Dollar Einnahmen für diese Saison (1,69 Millionen Euro), doch die Flammen haben alles zerstört. Ihr Mitgründer Kelvin Craver erklärt, man habe zwar von einigen Firmen gewusst, die Versicherungen für Marihuana-Felder anbot, aber diesen letztlich doch nicht getraut und keinen Vertrag abgeschlossen: „Wir wussten nicht, ob sie die Kulturen tatsächlich decken würden."

Es gab auch Vorschläge, eine kalifornische Staatsbank zu gründen, die die Marihuana-Einnahmen und -Gewinne verwaltet. Da jedoch eine ähnliche Initiative in den Gerichtshöfen von Colorado auf Eis liegt, haben viele Angst, diese Idee könnte das gleiche Schicksal erleiden. Im Weinbau – einer weiteren wichtigen landwirtschaftlichen Einnahmequelle in Kalifornien – sehen die Dinge dagegen ganz anders aus. Tatsächlich haben die Behörden einigen Cannabis-Bauern verboten, in das evakuierte Gebiet zurückzugehen, um den Zustand ihrer Ländereien zu überprüfen, den Weinbauern, die dies beantragten, jedoch nachgegeben. Der Siegeszug der Kryptowährungen und die wachsende Akzeptanz gegenüber Cannabis bewirken vielleicht schon bald Veränderungen, doch wenn auf Bundesebene keine Fortschritte gemacht werden, werden Naturkatastrophen wie die jüngsten Brände den schutzlosen Marihuana-Produzenten, die nach wie vor als Unternehmer zweiter Klasse gelten, auch weiterhin in ganz besonders drastischem Maße zusetzen.

10/01/2018